Ich bin eine leidenschaftliche Fensterputzerin. Jetzt ist es raus! Nur wenige Arbeiten im Haushalt erfüllen mich mit solcher Zufriedenheit wie Fenster putzen. Ich liebe diese Tätigkeit! Der Blick in meinen Garten ist dann gestochen scharf und klar. Diese Durchsicht und das Gefühl der freien Verbindung zu meiner Gartenwelt genieße ich.

Alles begann im Mai 2015. In der rechten, oberen Ecke eines meiner Küchenfenster entdeckte ich beim Putzen kleine, weiße Flecken inmitten eines neu gesponnenen Spinnennetzes. Entgegen meiner ursprünglichen Absicht verschonte ich besagtes Fenster vor meiner Putzfreudigkeit und beschloss abzuwarten, was in den nächsten Tagen passieren würde.

Elvira
Mai 2015

Drei Tage später sah ich zum ersten Mal ein 0,5 cm großes Spinnentier. Am gleichen Nachmittag hat sich mein Mann mit unseren beiden Kindern, jeder mit einer Lupe bewaffnet, auf dem Fensterbrett verabredet und die unermüdliche Weberin studiert. Bereits nach kurzer Zeit wurde sie von den familiären Forschern als Kreuzspinne identifiziert, und alle drei einigten sich auf den Namen Elvira. Mir war sofort klar, dass sich die Aktion „Küchenfenster putzen macht Spaß“ damit für den Rest des Sommers erledigt hatte.

Elvira
kleine Elvira

Kreuzspinnen gehören zur Familie der Echten Radnetzspinne (Araneidae) . Sie sind weltweit verbreitet und in Mitteleuropa mit über zehn Arten vertreten. In der freien Landschaft sind sie in Streuobstwiesen, Wäldern und Hecken zu finden. Die häufigste Vertreterin in unseren Gärten ist die Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) – die „Spinne des Jahres 2010“. Und ein solches Exemplar hatte sich wohl an unserem Küchenfenster häuslich eingerichtet.

Elvira
Seiltänzerin

Ihren Namen hat die Gartenkreuzspinne aufgrund der charakteristischen fünf Flecken auf dem vorderen Hinterleib, die an die Darstellung eines Kreuzes erinnern. Hierbei handelt es sich um Stoffwechselprodukte, die unter dem Chitinpanzer eingelagert werden. Die Grundfarbe der Spinne kann je nach Lebensraum von hellem Gelb bis fast Schwarz variieren. Wobei sie ihre Färbung an die Helligkeit ihrer Umgebung anpassen kann.

Elvira
Elvira wächst, und wächst, und …..

Die Gartenkreuzspinne gehört zu den größten einheimischen Spinnen. Die Körperlänge der Weibchen kann bis zu 2 cm betragen. Die der Männchen etwa 1 cm. Ihrer Beute lauert sie meist in der Mitte des kunstvollen, großen Radnetzes auf. Ein wundervoller Anblick in der Morgensonne, wenn das Netz noch mit Tautropfen bedeckt ist.

Elvira
Webkunst
Elvira
Webkunst

Von der Mitte des Netzes aus ist die Spinne über einen Signalfaden mit den einzelnen Fäden des Netzes verbunden. Diese sind mit Klebetropfen behaftet, so dass sich Insekten wie Wespen, Bienen, Mücken, Fliegen, Heuschrecken und Schmetterlinge im Netz verfangen. Anschließend werden sie von der Spinne mit einem Giftbiss gelähmt und mit einem Sekretband aus den Spinndrüsen umwickelt. Abgegebene Verdauungsenzyme zersetzen das Innere der Beute zu Brei. Dieser wird von der Spinne eingesaugt. Übrig bleibt ein kleiner unverdaulicher Rest. Wenn die Spinne keinen Nahrungsbedarf hat, spinnt sie ihre Beute mit schnellen Beinbewegungen ein und hängt sie als Vorrat in ihr Netz.

Elvira
Frühstück aus der Vorratskammer

Gartenkreuzspinnen sind für uns Menschen nicht gefährlich, da ihr Biss in den seltensten Fällen durch die menschliche Haut dringen kann. Der Gifteffekt ist mit dem eines größeren Mückenstichs vergleichbar. Allerdings können allergische Reaktionen auftreten.

Elvira ist ein Tier des Freilands und kommt freiwillig ganz sicherlich nicht ins Haus. Spinnen können sehr wohl unterscheiden, ob sie sich in geschlossenen Räumen oder draußen in der Natur befinden.

Elvira
Frühstück mit Wespe

Elvira ist in ihrem Netz gut geschützt. Sehr interessant war für uns die folgende Beobachtung vor ein paar Wochen. Elvira versetzte ihr Netz in regelrechte Schwingungen und machte sich so für ihren Feind, in diesem Fall eine Amsel, quasi unsichtbar.

Unsere Hausspinne ist inzwischen gut 2 cm groß. Sie hat sich über den Sommer so richtig dick und fett gefressen. Auch hat sie unsere Familie an vielen Sommertagen zum Aufstellen interessanter Spinnentheorien angeregt und mit Diskussionsstoff bereichert.

Wieviel Zeit Elvira in unserem Küchenfenster noch bleibt, wissen wir nicht. In der Literatur haben wir nachgelesen, dass Elvira nach der Eiablage mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben wird.

Elvira
dicke Elvira

Doch wir haben beschlossen Elvira ihren Lebensraum zu lassen. Und sie dankt es uns, indem sie weiterhin jede Menge lästiger Plagegeister für uns wegfängt.

Und mal ernsthaft – so wichtig sind geputzte Fenster dann doch nicht.

Elvira
Elvira