Da beherberge ich doch einen wahren Schatz in meinem Garten und wusste es bis letzten Sommer gar nicht.

Erst durch eine liebe gärtnerisch-wissende Freundin wurde ich mit deren Ausruf: „Du hast ja ein Dirndl in deinem Garten!“ auf das ca. 3 m hohe Gehölz mit länglichen, tiefroten Früchten sowie meine diesbezügliche Bildungslücke aufmerksam gemacht.

Der Name Dirndl (hier als Synonym für Frau und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kleidungsstück), Dirndling oder Dirndlstrauch beruht laut meiner Freundin auf dem Zeitpunkt des Erntebeginns der Früchte nach dem jährlichen Feiertag Mariä Himmelfahrt am 15. August, einem der ältesten christlichen Hochfeste. In Österreich gedeiht der Dirndlstrauch besonders gut in Niederösterreich, weshalb das Gebiet des Pielachtals als „Dirndltal“ touristisch vermarktet wird.

Dem einen oder anderen Leser ist der Name Kornelkirsche (lat. cornus mas = männlicher Hornstrauch) sicherlich geläufiger. Oder die Bezeichnung Gelber Hartriegel, die einen Hinweis auf die Zuordnung zur Pflanzengattung innerhalb der Familie der Hartriegelgewächse gibt. Der wärmeliebende Strauch wächst bevorzugt an sonnigen Hängen, Waldrändern und in Hecken, häufig auf kalkhaltigen Böden und verträgt auch lichten Schatten. Ursprünglich eine uralte Kulturpflanze aus den Regionen um den Kaukasus, kam sie mit den Völkerwanderungen der Vergangenheit zu uns in den mitteleuropäischen Raum, wo sie sich gut eingelebt hat. In den verschiedenen Geschichtsepochen unterschiedlich stark geschätzt als Obst- oder Heilpflanze, geriet die Kornelkirsche längere Zeit in Vergessenheit und wilderte aus. Deshalb wird dieses Gewächs heute von uns als einheimische Wildpflanze empfunden, was sie aber nicht immer war.

Das schöne Dirndl schmückt sich je nach Standort mit den unterschiedlichsten und wunderlichsten Namen, wie z.B. Dirlitze, Dürlitze (Schwaben), Herlitze, Hirlnuss, Hornkirsche, Hörlitze (Thüringen), Kornelle, Korlesbeere, Kürbeer, Ziserle oder Zisserle (Franken) sowieTierlibaum (Schweiz) – und die Liste lässt sich durchaus weiter verlängern.

Die Kornelkirsche kann unter guten Bedingungen in unseren Breiten weit über 6 m hoch und über 100 Jahre alt werden. So soll der Sage nach im alten Rom eine 800-jährige Kornelkirsche gestanden haben. Die aktuell größte mir bekannte Kornelkirsche ist die Sigrid-Dirndl in der Gemeinde Michelbach in Niederösterreich mit einer Höhe von 8 Metern, einem Stammumfang von 2,8 Metern sowie einer Krone mit einem Durchmesser von 11 Metern.

Wo die wilden Dirndln wachsen
Im Winter sind die kugeligen Blütenknospen, in denen schon die Blütenstände für das frühe Blühen im Frühjahr angelegt sind, ein schöner Blickfang.

Vom Kornelkirschenbaum wurden in früheren Zeiten Blüten (Vorsicht → schwach giftig!), Blätter, Früchte und die knorrige Rinde genutzt, vor allem aber das sehr dichte und zähe Holz. Es ist so hart und schwer, dass es im Wasser untergeht und sinkt. Gleichzeitig ist es polierbar und schwer spaltbar, was es für die Herstellung von Werkzeugen, Waffen (Speere, Lanzen, ect.), Zahnrädern in Mühlwerken und mathematischen Instrumenten beliebt gemacht hat. Das Holz der wilden Frucht fand ebenso Verwendung bei der Fertigung von Gegenständen des täglichen Bedarfs, z.B. Schusternägel, Rosenkränze (aus den Kernen), Holzhämmer und Griffe jeder Art. Interessant finde ich auch die Geschichten rund um den sogenannten Ziegenhainer, der als besonders haltbarer Knotenstock aus dem Holz der Kornelkirsche im 18. Jahrhundert von Bauern aus Jena gefertigt wurde. Zunächst nur von Jenaer Studenten als Spazierstock genutzt, wurde er Ende des 19.Jahrhunderts als modisches Accessoire in ganz Deutschland getragen.

Wo die wilden Dirndln wachsen
Schon bevor die ersten Schneeglöckchen im Winter aus der Erde blinzeln, …
Wo die wilden Dirndln wachsen
… ploppen die Blüten der Kornelkirsche noch vor dem Blattaustrieb auf.

Die zweisamigen Steinfrüchte haben botanisch mit den Kirschen des Hausgartens nichts gemeinsam. Sie werden etwa zwei bis drei Zentimeter groß und sind erntebereit, wenn sie im Spätsommer, inzwischen korallen- bis schwarzrot geworden, bereits auf leichte Berührung vom Baum fallen. Da die wilden Früchtchen im August und September ständig weiter nachreifen, kann man etwa alle drei Tage durch Schütteln der Äste oder des Stamms weitere Kornelkirschen abernten. Sie schmecken säuerlich-fruchtig-herb, weshalb sie für die Herstellung von Gelee, Marmelade, Likör, Wein und pikanten „grünen Oliven“ besonders geeignet sind. Gerne auch vermischt mit Beerenfrüchten, wie z.B. Himbeeren, Brombeeren oder Johannisbeeren sowie süßen Birnen.

Der längliche Kern lässt sich relativ schwer vom Fruchtfleisch lösen, was die Verarbeitung zu einer meditativen Tätigkeit werden lässt. Ich benutze zum Entfernen eine Haarnadel, die ich von rechts und links um den Kern herumziehe und ihn so entferne. Bei vollreifen Früchten reicht es manchmal schon ganz vorsichtig auf die Frucht zu drücken, um den Kern herausflutschen zu lassen.

Mein erster Versuch im letzten Sommer die Kornelkirschen aus meinem Garten zu etwas Leckerem zu verarbeiten, war ein einfaches Fruchtgelee, da es hierfür nicht notwendig ist die Früchte zu entsteinen. Es werden in diesem Jahr aber sicherlich weitere Experimente in meiner Küche folgen.
Wo die wilden Dirndln wachsen

Rezept für Gelee von den wilden Dirndln:

  • 1 kg Früchte (ohne Stiele) waschen und in einen Topf geben
  • mit Wasser bedecken
  • ca. 20 Min. weich kochen
  • anschließend die Früchte und das Kochwasser durch ein Tuch in einen Topf seihen
  • Tipp aus dem Internet:  Tuch an die vier Füße eines umgedrehten Hockers binden und einen Topf auf den Hocker unter das Tuch stellen
  • die Früchte im Tuch zugedeckt zum Nachtropfen über Nacht stehen lassen
  • am folgenden Tag die Früchte kurz ausdrücken (wer mag kann die Saftmenge erhöhen, indem er die Früchte erneut aufkocht und abseiht)
  • die durchgeseihte Flüssigkeit mit der entsprechenden Menge Gelierzucker 1:2 aufkochen
  • in Twist-Off-Gläser füllen
  • Gläser auf den Kopf stellen und abkühlen lassen

Die Kornelkirsche schmeckt aber nicht nur unerwartet lecker, sie besticht ebenso mit vielen gesunden Inhaltsstoffen. So kann sie beispielsweise mit einem hohen Vitamin-C-Gehalt (bis zu 125mg/100g je nach Standort und Bodenbeschaffenheit), sekundären Pflanzenstoffen (u.a. Pektin, Anthocyan), Gerbstoffen, Provitamin A und jeder Menge Kalium, Kalzium und Eisen aufwarten.

Und auch als Heilpflanze hat sich das rote Früchtchen über die Jahrhunderte einen guten Ruf gemacht. Schon im 12. Jahrhundert erwähnte Hildegard von Bingen in ihren Werken die heilende Wirkung der Kornelkirsche. Ob entzündungshemmend als Rindenaufguss bei Gicht und Rheuma, reinigend als Frucht für Magen und Darm sowie antibiotisch wirkend bei Gastritis und Durchfall – selbst als Langzeittherapeutikum bei Glutenunverträglichkeit soll sie eine wiederentdeckte Kostbarkeit der Natur sein.

Wo die wilden Dirndln wachsen
Die Blüten laden ab Mitte Februar mit ihrem süßen Honigduft zum Schnuppern ein.

Doch das Schönste an diesem vergessenen, wunderbaren, köstlichen und heilsamen Strauch ist für mich, dass er vielen Tieren in meinem Garten Nahrung und Unterschlupf bietet. Die reichlichen Früchte im Spätsommer sind nicht nur für uns sondern auch für verschiedene Vogelarten eine gesunde Leckerei. Und die frühen Blüten decken zum Ende des Winters den Frühstückstisch für die aus dem Winterschlaf erwachten Bienen, Wildbienen oder Hummeln.

Wo die wilden Dirndln wachsen

Nachtrag:

  • Wie bei allen Naturprodukten sind allergische Reaktionen nie ausgeschlossen.
  • Die Blüten gelten als schwach giftig.
  • Die Berührung mit den Blättern kann durch winzige Härchen Reizerscheinungen (z.B. Rötung, Juckreiz) an der Haut verursachen.